Eine “Kurzgeschichte”

von Sonja Nothdurfter-Grausgruber 2013

 

Dass sich Siedler gegen Ende der Jüngeren Steinzeit vom Alpenvorland bis in die inneralpinen Gebiete des
heutigen Salzburgs vorwagten, lag an den Kupfererzvorkommen im Gebirge. Die Menschen hatten gelernt,
das leicht formbare Metall und seine Legierung Bronze als Werkstoff zu bearbeiten und daraus Werkzeuge
und Waffen herzustellen - die Bronzezeit (1900 - 1250 v.Chr.) war angebrochen. In der Gegend von Krimml
lebten schon in der frühen Bronzezeit Menschen. Nah am Flusslauf der Salzach auf dem natürlichen
Felsplateau des Falkensteins, ca. 2 km östlich vom heutigen Ortskern gelegen,
befand sich ab 1600 v. Chr. eine Höhensiedlung.

Das Dorf auf dem Falkenstein bestand aus 16 Hütten und erreichte in der mittleren Bronzezeit seine größte
Ausdehnung. Schon damals begingen die Menschen das Gebirge oder überquerten es, um nach Süden zu
gelangen. Dafür wählten sie wohl, auch wenn konkrete Hinweise darauf bislang fehlen, die Route über den
Krimmler Tauern, die sie über die Wasserfallstufen der Krimmler Wasserfälle hinauf, und weiter durch das
Krimmler Achental und Windbachtal über den Alpenhauptkamm und von dort hinunter ins Ahrntal führte.
Das kleine Plateau am Falkenstein blieb auch in der Urnenfelderzeit (1250 - 750 v.Chr.) bewohnt.

In dieser Phase des Überganges von der Bronzezeit in die Hallstadtzeit verlor der vorgeschichtliche
Kupferbergbau im Salzburgischen zu Gunsten des Abbaus von Salz und Eisen an Bedeutung, und für den
ganzen Oberpinzgau sind nur mehr vereinzelte Wohnstellen nachgewiesen. Die Menschen hatten die
Höhensiedlung auf dem Falkenstein zwischen den heutigen Gemeinden Krimml und Wald im Pinzgau
wieder verlassen.

Um ca. 200 v.Chr. entstand im Ostalpenraum das keltische Königreich Noricum. Einer der dreizehn Stämme Noricums, die Ambisonten, waren im heutigen Pinzgau ansässig. Der Mittelpunkt ihres Stammesgebietes war allerdings relativ weit von Krimml entfernt. Er befand sich im fruchtbaren oberen Saalachtal bei Saalfelden.

Das Gebirgsland blieb dünn bevölkert, auch als Noricum zur römischen Provinz wurde. Während im verkehrsfreundlich gelegenen Alpenvorland viele römische Siedlungen entstanden, befanden sich im Oberpinzgau nur vereinzelte Gutshöfe, agrarische Siedlungen oder Einzelgehöfte.
Auch die erste große Phase der bayerischen Landnahme im heutigen Land Salzburg bis zum Ende des 10. Jahrhunderts erfasste hauptsächlich das Alpenvorland, das Salzburger Becken und das Saalfeldner Becken. Dennoch sind im Oberpinzgau in der näheren Umgebung von Mittersill auf der Sonnenseite des Salzachtales Siedlungsanfänge aus dem 9. Jahrhundert entdeckt worden.

Erst die intensive Erschließung am Ende des Hochmittelalters, die von einem Bevölkerungswachstum herrührte, erstreckte sich bis weit ins Gebirge, ja sogar bis in die inneralpinen Täler. Im Pinzgau leiteten die bayerischen Grafen von Mittersill-Lechsgemünd, unterstützt von edelfreien Familien wie den Felbern, die großen Rodungen. Auf den neu gewonnenen Böden wurden Bauerngüter errichtet. Die bäuerlichen Eigenleute, die die Güter bewirtschafteten, verrichteten für die Leihe von Grund und Boden an ihren Grundherren Abgaben. In den Urkunden ist in Krimml erstmals 1224 in einem Kaufvertrag des Lechsgemünder "Hausklosters" Kaisheim mit dem Salzburger Erzbischof von einem Gut die Rede, das man "Chrvmbel" nannte. Der Hof am Talschluss des Salzachtals gab der Siedlung, die dort entstand, seinen Namen.
Schon 1244 befand sich in der "Khrumbe", die nach der Erwerbung der Grafschaften Ober- und Unterpinzgau durch den Salzburger Erzbischof Eberhardt II. 1228 zum Salzburger Herrschaftsgebiet gehörte, eine Kirche. Rund ein Jahrhundert später verzeichnete das erzbischöfliche Urbar in Krimml schon 12 Häuser.

Auch wenn damals noch nicht viele Menschen nach Krimml kamen, so lag der kleine Ort unweit zweier Pässe: über den Krimmler Tauern konnte man, wenn auch nicht ohne Strapazen, die einem der vergleichsweise hohe und steile Übergang abverlangte, nach Italien ziehen. Über den Gerlospass gelangte man ins Zillertal. Den Saumweg über den Krimmler Tauern nutzten im Spätmittelalter vor allem die Handwerker und Kaufleute aus den umliegenden Talschaften für den Wein- und Viehhandel und die Bauern aus dem obersten Salzachtal und Ahrntal, die ihr Vieh im Sommer auf den fruchtbaren Almböden des Krimmler Achentals weiden ließen. Station am westlichsten Tauernübergang des Erzstiftes von Krimml ins Tiroler Taufers bot die alte Taverne in der Achen, das Krimmler Tauernhaus, das bereits 1389 als Versorgungsposten für Reisende und Säumer über den Krimmler Tauern schriftlich belegt ist.

Innerhalb des Erzstiftes Salzburg war Krimml die westlichste Kreuztracht (Verwaltungssprengel mit einer Kirche) des Pfleggerichtes Mittersill, der obersten regionalen Verwaltungsbehörde, über die der Erzbischof die eigentliche Landesherrschaft ausübte. Die Kreuztracht Krimml bestand aus den kleineren Einheiten der Rotten Oberkrimml und Unterkrimml - eine Unterteilung, die bis heute erhalten geblieben ist.

Das Ende der geistlichen Herrschaft in Salzburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachte mehrfache Herrschaftswechsel und einen tiefgreifenden politischen Wandel. Als bayrische und französische Truppen Teile des Landes Salzburg nach der Kriegserklärung Österreichs an Napoleon 1809 besetzt hatten, leisteten die Landwehren des Pongaus und Pinzgaus, unterstützt von den Tiroler Freiheitskämpfern, Widerstand.
Unter den Salzburger Kommandaten zeichnete sich unter anderem der aus Krimml gebürtige Anton Wallner durch seinen mutigen Einsatz aus.
Heute erinnern in Krimml das Anton Wallner Denkmal im Ortszentrum, die historische Anton Wallner Schützenkompanie und die Anton Wallner Musikkapelle sowie das Denkmal geschützte Geburtshaus, das Hinterlehengut, oder das Anton-Wallner Bräu an die Herkunft des Freiheitskämpfers.

Die Einrichtung des Kronlandes Salzburg 1849/50 beendete eine schwierige Phase Salzburgs als Kreis der "Provinz Oberösterreich und Salzburg" im habsburgischen Kaiserstaat. Zu dieser Zeit bestand der Ortskern von Krimml, so wie schon ein halbes Jahrtausend zuvor, aus rund 15 Häusern, Bauernhöfe, Gewerbestätten und wenige Privathäuser. Die Bauern, die ihre Güter erst seit der Befreiung von der Grundherrschaft 1848 besaßen, ohne an ein Lehensverhältnis gebunden zu sein, konzentrierten sich auf die Viehwirtschaft und auf die Erzeugung von Milch und Milchprodukten. Der Ertrag aus ihrer Arbeit blieb im Vergleich zur Landwirtschaft aller anderen österreichischen Kronländer unter dem Durchschnitt. Die arbeitsintensive Vieh- und Milchwirtschaft im Gebirge erforderte einen hohen Beschäftigungsstand und war deshalb nicht konkurrenzfähig.

Auch wenn die Verhältnisse in Landwirtschaft und Gewerbe schwierig waren, gab es in Krimml konjunkturellen Aufschwung. Die Liebe zur Landschaft und die alpinistische wie touristische Erschließung der Alpen führte nun Gäste zu den höchsten Wasserfällen Europas, den Krimmler Wasserfällen, und in die Hohen Tauern.

Die Wasserfälle waren bereits 1879 vom Deutschen und Österreichischen Alpenverein durch einen Weg mit Brücken und Aussichtskanzeln zugänglich gemacht worden. Die Pinzgauer Lokalbahn, die 1898 bis nach Krimml (Vorderkrimml) fuhr, öffnete den Ort nun vielen Natur begeisterten Menschen. Sie brachte in- und ausländische Gäste, die im Gasthof zur Post, im Hotel Krimmlerhof, im Gasthof Hofer, im Gasthof Schönangerl oder im Krimmler Tauernhaus weilten.
1899 schließlich legte der DuOeAV die Obhut des Wasserfallweges in die Hände seiner Sektion Warnsdorf, die 1887 vom Zittauer Garn-Großkaufmann Friedrich E. Berger gegründet worden war. Mit den Aktivitäten des Alpenvereins, der 1891 die Warnsdorfer Hütte (2336 m) im Krimmler Achental, 1901 die Zittauer Hütte (2328 m) im Wildgerlostal, 1907 die Neugersdorfer Hütte (2568 m)im Südtiroler Teil der Zillertaler Alpen errichtete, und deren stellvertretender Vorsitzender Anton Richter 1897 privat die Richter Hütte (2374 m) im Rainbachtal erbaute, setzte in Krimml ein reger Alpintourismus ein, der bis zum Ersten Weltkrieg anhielt.Trotz der starken Beeinträchtigungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens in Krimml, der vielen Gefallenen, Verwundeten und Kriegsflüchtlinge während und nach dem Ersten Weltkrieg erholte sich der beliebte Sommerfrische-Ort in der Zwischenkriegszeit wieder, weil viele Gäste kamen.
Erst die Weltwirtschaftskrise und die Tausend-Mark Sperre des Deutschen Reiches brachten den Fremdenverkehr in Krimml fast zum Erliegen.

Das Kriegsende und der Einmarsch amerikanischer Truppen ins Land Salzburg im Mai 1945 waren ein Akt der Befreiung von der Schreckensherrschaft und ein Akt der Besetzung durch fremde Truppen zugleich.
Für die Menschen in Krimml bedeuteten die schwierigen Nachkriegsjahre Flüchtlingsströme, Schleichhandel über die Staatsgrenze, Entnazifizierung aber auch Wiederaufbau der Demokratie und Wirtschaft.

Die "Brichah", eine Hilfsorganisation, die vorwiegend osteuropäische Juden, die den Holocaust überlebt hatten, via Italien zur Flucht nach Eretz Israel verhalf, begann 1947, Gruppen in Konvois durch das Krimmler Achental zum Krimmler Tauernhaus zu bringen. Dort versuchte die Tauernhaus-Wirtin Lisl Geisler, die die Herberge nach dem Tod ihres Mannes alleine führte, nach Kräften den Alten, Kranken, Kindern und Schwachen zu geben, was in ihrem Vermögen stand. Im Sommer 1947 gelangten so rund 5000 Menschen über den Krimmler Tauern zur italienischen Grenze.
Beim Alpine Peace Crossing, der Friedenswanderung, die jedes Jahr vom APC - Alpine Peace Crossing - Verein für Flüchtlingshilfe durchgeführt wird, gedenken die Teilnehmer denjenigen, die diesen schweren Weg auf sich genommen haben, und appellieren an alle Menschen, denen zu helfen, die heute auf der Flucht sind und in Österreich Schutz und Asyl suchen.

In den friedlichen Jahrzehnten seit der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrages ist viel passiert. Wichtige Etappen für Krimml waren der Bau der neuen Gerlosstraße 1963, die Auszeichnung der Krimmler Wasserfälle mit dem Europäischen Naturschutzdiplom für geschützte Landschaften, Reservate und Naturdenkmäler 1967, die vor allem Dank der Initiative der OEAV Sektion Warnsdorf/Krimml bis heute aufrecht ist, oder die Errichtung des Nationalparks Hohe Tauern in Etappen seit 1981 mit der Erweiterung um den Salzburger Teil von Krimml bis Rauris 1984.
Nach wie vor ist der Fremdenverkehr im Sommer und im Winter die wichtigste Sparte der Krimmler Wirtschaft. Schon 1963 lösten die ersten Schlepplifte auf der Filzsteinalm und am Plattenkogel die alten Umlaufseile als Aufstiegshilfe für Schifahrer ab. Die Verbindung des Hochkrimmler Schigebietes auf der Gerlosplatte mit der Zillertal Arena 2003 war ein weiterer wichtiger Schritt für eine beständig gute Entwicklung als moderner Wintersportort. In der warmen Jahreszeit wirken die Krimmler Wasserfälle wie ein Magnet auf Besucher aus der ganzen Welt. Zur Einzigartigkeit dieses Naturschauspiels kommt noch die wissenschaftlich erwiesene gesundheitsfördernde Wirkung des feinen Sprühnebels im Nahbereich des untersten Krimmler Wasserfallshinzu, der allergisches Asthma lindern kann. Im Ort steht außerdem ein Wasserfallzentrum, die WasserWunderWelten, in denen die Großglockner Hochalpenstraßen AG das Phänomen Wasser für ein breites Publikum aufbereitet hat.

Doch hohe Attraktivität als Tourismusgemeinde ist nicht gleichbedeutend mit hoher Lebensqualität für die Einwohner. Speziell in den letzten drei Jahrzehnten waren gut funktionierende lokale Strukturen von der sukzessiven Schließung von Lebensmittelläden, von Metzger und Bäcker bedroht. Initiativen wie die Errichtung des SEkO Centers Krimml, ein Dienstleistungs- und Nahversorgungszentrums mitten im Ortskern, helfen, die für seine Naturschönheiten weltberühmte Gemeinde am Talschluss des Salzachtales nicht nur als Erholungsraum, sondern auch als lebenswerte und liebenswerte Heimat zu erhalten.

Literatur:

H. Dopsch, H. Spatzenegger (Hg.), Geschichte Salzburgs - Stadt und Land. 2 Bände in 8 Teilen, Salzurg 1981 - 1991. H. Dopsch, Kleine Geschichte Salzburgs: Stadt und Land, Salzburg 2001. J. Lahnsteiner, Oberpinzgau von Krimml bis Kaprun, Hollersbach und Salzburg 1956. Salzburger Nationalparkfonds (Hg.), Das Krimmler Tauernhaus und seine Umgebung in Geschichte und Gegenwart, Neukirchen 2000. S. Nothdurfter-Grausgruber, Eine Geschichte des Pfleggerichtes Mittersill im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Salzburg Archiv 29 (2004), S. 69-152. S. Nothdurfter-Grausgruber, 100 Jahre Raiffeisenbank Krimml, Krimml 2010. S. Nothdurfter-Grausgruber, Getragen von Begeisterung - 125 Jahre OEAV Sektion Warnsdorf-Krimml, Krimml 2012. Stadtgemeinde Mittersill (Hg.), Vom Markt zur Stadt, Mittersill 2008.

 

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